Auch mal ein begehrter Mensch sein

Gesehen werden – als Mensch, nicht als Behinderung

Manchmal wünsche ich mir, einfach nur als Mensch gesehen zu werden. Nicht zuerst als „der mit der Behinderung“, sondern als jemand mit Gefühlen, Sehnsüchten sowie Lust auf Nähe, Zärtlichkeit und Liebe. Diese Wünsche sind ja ganz normal. Und doch merke ich immer wieder, dass sie für viele schwerer zuzulassen sind, sobald sie zuerst meine Behinderung sehen.

Ich habe hier auf meinem Blog schon oft darüber geschrieben, wie sehr Ablehnung wehtun kann. Natürlich sage ich mir, dass Menschen, die mich nur auf meine Einschränkung reduzieren, mich gar nicht wirklich sehen. Sie wären also nicht die Richtigen. Aber dieses Wissen schützt nicht immer vor dem Schmerz. Wenn man immer wieder auf Distanz gestoßen wird, nagt das an einem. Es macht traurig. Es hinterlässt Spuren.

Symbolbild: Liebe
Symbolbild: Liebe

Der Wunsch, begehrt zu werden

Ich wünsche mir, begehrt zu werden. Nicht bemitleidet oder einfach nur „nett behandelt“, sondern wirklich begehrt – als Mensch. Dieses Gefühl, dass jemand einen anschaut und einen will, weil man man selbst ist. Mit allem, was dazugehört.

Ich glaube, viele Menschen ohne Behinderung können sich gar nicht vorstellen, wie sehr einem etwas fehlt, wenn man es kaum erlebt hat. Natürlich weiß ich, dass man auch allein leben kann. Ich habe Freunde, Interessen und Träume. Ich kann gut für mich sorgen. Aber manchmal, gerade abends, wenn es still wird, ist da diese Sehnsucht. Dann würde ich einfach gerne jemanden neben mir haben. Jemanden, der mich in den Arm nimmt, mit dem ich lachen, kuscheln oder auch einfach nur schweigen kann. Nähe ist nichts, was man sich „wegdenken“ kann. Sie gehört zum Menschsein.

Liebe kennt keine Zielgruppen

Was mich besonders stört, sind diese gut gemeinten Ratschläge. „Such dir doch jemanden mit Behinderung, da hast du mehr Chancen.“ Oder: „Du bist doch so stark. Du brauchst keine Beziehung, um glücklich zu sein.“ Solche Sätze klingen zwar vernünftig, treffen aber nicht den Kern. Liebe lässt sich nicht planen.

Ich möchte keine „Zielgruppe“ suchen. Ich verliebe mich nicht in Schubladen, sondern in Menschen – egal, ob sie eine Behinderung haben, welches Geschlecht sie haben oder wie sie sich definieren. Liebe ist etwas, das einfach passiert. Und genau das ist das Schöne daran.

Zeit, offen über Begehren zu sprechen

Ich glaube, es wird Zeit, dass wir mehr über solche Themen sprechen. Über Begehren, Sexualität und Nähe – auch im Zusammenhang mit Behinderung. Menschen mit Behinderung sind genauso Männer, Frauen, nicht-binär oder einfach sie selbst wie alle anderen. Sie haben die gleichen Wünsche, Bedürfnisse und Träume.

Ich möchte einfach als Mensch gesehen werden. Und manchmal – ja, ganz ehrlich – möchte ich einfach mal ein begehrter Mensch sein.

Lorenzo

PS: Du darfst diesen Blogbeitrag hier mit den nachfolgenden Buttons gerne teilen:

6 Kommentare

  1. Danke, dass du diesen tief berührenden Text geteilt hast. Er spricht eine Wahrheit aus, die oft übersehen wird. Nämlich dass Menschen mit Behinderung genauso Sehnsüchte, Bedürfnisse und Träume haben wie alle anderen und dass sie nicht auf ihre Einschränkung reduziert werden wollen, sondern als ganze, liebenswerte Menschen gesehen werden möchten. Ich hoffe und wünsche dir, dass sich dein Wunsch erfüllt!

    1. Danke dir, liebe Jana, für deine schönen und berührenden Worte. Es tut gut zu lesen, dass du verstehst, was ich ausdrücken wollte. Genau das wünsche ich mir: dass mehr Menschen erkennen, dass wir alle die gleichen Sehnsüchte, Bedürfnisse und Träume haben. Dein Kommentar bedeutet mir wirklich viel. 💛

  2. Ja, absolut jeder hat dieses Bedürfnis, auch Menschen mit einer Behinderung. Ich finde dass super dass Du so offen und ehrlich über so ein persönliches Thema redest hier auf Deinem Blog und es gibt bestimmt Menschen da draußen die dieser Beitrag stärkt und hilft und dass sie wissen dass sie nicht damit alleine sind. So geht es ja nicht nur behinderten Menschen sondern auch anderen Menschengruppen, die in das „Raster“ nicht passen oder nicht zu schön und schlank aussehen für die heutige Welt. Ich habe einen sehr guten Freund, der übergewichtig ist und auch noch nie eine Freundin oder sowas hatte. Heutzutage wird man oft nur auf das äußerliche leider reduziert. Ich hoffe und wünsche auch dass Dein Wunsch sich erfüllt! LG Edeline

    1. Liebe Edeline,
      vielen Dank für deine einfühlsamen Worte. Du hast völlig recht: Es betrifft so viele Menschen, die nicht in das gesellschaftliche „Raster“ passen. Schönheitsideale und Vorurteile können viel Schmerz verursachen, egal, ob jemand eine Behinderung hat, übergewichtig ist oder einfach nicht dem gängigen Bild entspricht. Es tut gut zu lesen, dass du das genauso siehst und auch eigene Erfahrungen teilst. Danke, dass du hier so offen mit mir bist. 💛

  3. Lieber Lorenzo,
    Was für ein Statement und was für ein wunderschöner emotionaler Text.
    Ich kann leider nicht mehr dazu sagen, wie: ich kann dich verstehen.

    Herzliche Grüße nach Hamburg

    1. Lieber Jürgen,

      vielen Dank für deine lieben Worte. Es bedeutet mir viel, dass du dich in meinen Text hineinversetzen kannst. Solche Rückmeldungen bestärken mich darin, offen über Gefühle zu schreiben.

      Herzliche Grüße zurück! 🌞

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert