Das zweite WM‑Qualifikationsspiel unserer Männer‑Nationalmannschaft gegen Nordirland war insgesamt eine sichtbare Steigerung im Vergleich zum schwächeren Auftritt gegen die Slowakei. Der 3:1‑Sieg war verdient. Trotzdem lohnt ein genauer Blick: Wer nur aufs Ergebnis schaut, übersieht strukturelle Probleme, die in engeren Begegnungen ins Gewicht fallen können.
Offensive: Ideen, Tempo und Entscheidungsfreude
Zwar wurden Chancen herausgespielt und genutzt, doch über weite Strecken fehlten klare Konzepte und vor allem Tempo im Aufbau. Zu oft blieb es beim Querpass oder bei statischer Positionswahl, wodurch die letzte Linie des Gegners Zeit zum Sortieren hatte.
- Zu wenige vertikale Pässe hinter die Abwehr, zu wenig lineares, schnelles Vertikalspiel.
- Mangel an Risikobereitschaft im letzten Drittel: zu wenige Dribblings und keine konstanten Anläufe in die Tiefe.
- Schwache Synchronisation zwischen Flügelspiel und zentralem Mittelfeld, wodurch gute Räume nicht konsequent bespielt wurden.
Solange die Mannschaft nicht häufiger Tempo und Variabilität in den Aufbau bringt, bleiben Chancen glücksabhängig statt planbar.
Defensive: Grundordnung stimmt, Konstanz fehlt
Die Defensive zeigte Phasen mit guter Zweikampfführung und klaren Ballgewinnen. Problematisch ist jedoch die fehlende Stabilität über 90 Minuten:
- Langsame Verschiebungen in der Abwehrkette ermöglichen einfache Durchbrüche.
- Umschaltmomente nach Ballverlusten werden nicht immer schnell genug zugestellt.
- Kommunikation in entscheidenden Zonen schwankt, sodass individuelle Fehler größere Auswirkungen haben.
Kurz: Die Grundprinzipien sind vorhanden, Feinabstimmung und Konzentration über die gesamte Spielzeit müssen verbessert werden.
Taktik gegen Nordirland: Warum es schwieriger war als nötig
Nordirland trat robust, diszipliniert und kompakt auf — mit klarer Zielsetzung, Tempo aus dem Spiel zu nehmen und aus Fehlern zu kontern. Unsere teils behäbige Ballzirkulation lieferte ihnen genau die Ansatzpunkte, die sie brauchten. Eine frühere taktische Anpassung (schnellere Seitenverlagerungen, mehr Läufe hinter die Kette, gezieltere Einläufe in den Zwischenlinienraum) hätte Druck erzeugt und die Ordnung des Gegners gestört.
Mediale Debatten: Kritik gegen Dramatisierung
Expertenkommentare, die Fehler überdramatisieren, dienen meist der Aufmerksamkeit, nicht der Lösung. Kritik ist wichtig — aber sachlich und konstruktiv. Pauschale Alarmrufe übertönen die Analyse dessen, was tatsächlich verbessert werden kann: Tempo, Variabilität und Konstanz.
Konkrete Empfehlungen
- Mehr Tempo im Aufbau: gezielte Seitenverlagerungen und schnelle vertikale Pässe.
- Risikobereitschaft im letzten Drittel: Freilaufen, Dribblings in die Tiefe, mehr dynamische Kombinationen.
- Defensive Kompaktheit über 90 Minuten: klarere Kommunikationslinien, schnelleres Umschalten nach Ballverlust.
- Spielerverantwortung stärken: wer Räume schafft, muss auch konsequent Bestrafungsmöglichkeiten suchen.
Fazit
Der Sieg war verdient und gibt Selbstvertrauen — aber er kaschiert keine taktischen Schwächen. Wenn die Mannschaft es schafft, Tempo, Kreativität und defensive Konstanz zu verbinden, werden solche Siege zur Regel, nicht zur Ausnahme. Bis dahin bleibt es ein Aufwärtstrend mit deutlichem Optimierungsbedarf.
Positiv hervorzuheben ist zudem die Leistung der HSV-Frauen beim 3:3 gegen Wolfsburg (gespielt gestern um 16 Uhr): Trotz des starken Gegners zeigte das Team Mut, Struktur und große Einsatzbereitschaft. Besonders das schnelle Umschaltspiel und die präzisen Flügelwechsel sorgten immer wieder für Gefahr. In der Defensive gab es nur zeitweise stabile Phasen, sodass das Unentschieden hart erarbeitet werden musste. Dennoch ist ein Punkt gegen Wolfsburg ein Zeichen dafür, dass die Mannschaft taktisch wie mental auf einem guten Weg ist und Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben tanken konnte.
Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die Leistung des HSV Hamburg im Duell gegen die Rhein-Neckar Löwen (Endstand 33:30, gespielt gestern um 18:00 Uhr): Das Spiel verlief über weite Strecken hin und her, besonders in der ersten Halbzeit. Doch Hamburg fand stets eine Antwort auf die Tore der Löwen. Die Mannschaft zeigte große Moral, startete in der zweiten Halbzeit entschlossene Angriffe und nutzte Ballgewinne effektiv – ein verdienter Sieg, der Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben gibt.
Und heute Mittag geht es los auf die Schwäbische Alb. Übermorgen oder am Donnerstag melde ich mich hier wieder mit einem neuen Blogbeitrag.
Grüße, Lorenzo
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Wir haben uns nicht getraut zu schauen. Wir waren eh müde und mussten heute früh raus, waren aber doch überrascht, als es nach ein paar Minuten auf einmal hieß Tor für Deutschland. Ein paar Minuten haben wir kurz reingeschaut und schnell verstanden, wo die Ballbesitz Statistik herkam *lach* Nun gut… mal sehen, wie es weiter geht. Es ist einfach alles zu wackelig… und auf mediale Kommentare sollte man eh nicht viel geben…
allo Sari,
vielen Dank für deinen Kommentar! Es ist verständlich, dass man manchmal nicht die Nerven hat, ein Spiel zu verfolgen, besonders wenn man müde ist. Es klingt so, als hättet ihr einen spannenden Moment erlebt, als ihr nach dem Tor eingeschaltet habt!
Die Ballbesitz-Statistik kann oft täuschen, und es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Wahrnehmung eines Spiels sein kann. Ich stimme dir zu, dass die mediale Berichterstattung oft übertrieben ist und man sich nicht zu sehr davon beeinflussen lassen sollte.
Ich bin auch gespannt, wie es weitergeht. Glaubst du, dass die Mannschaft sich stabilisieren kann?
Freue mich auf deine Gedanken!
Viele Grüße,
Lorenzo