Ein Interview mit [Bleeding] Foundation

Heute möchte ich dir von dem Interview berichten, das ich mit der Alternative-Rock-Band [Bleeding] Foundation aus dem Ruhrgebiet geführt habe. Sie haben gerade ihr neues Album „Genosha“ veröffentlicht. Davon habe ich durch meinen Bloggerkollegen Henning erfahren. Er ist schon länger Fan dieser Band und hat einen Blogbeitrag über das Album geschrieben. Ich habe es mir angehört und schließlich auf der Bandcamp-Seite der Band digital gekauft, weil ich „Genosha“ so fantastisch finde. Deshalb habe ich selbst auch einen Blogbeitrag über das Album geschrieben.

Und der Schlagzeuger und Texter der Band, Markus G. Sänger, hat unter Hennings Blogbeitrag kommentiert und sich für den tollen Beitrag bedankt. Auf diesen Kommentar habe ich geantwortet und geschrieben, dass ich ebenfalls einen Blogbeitrag über „Genosha” geschrieben habe. Nach kurzer Zeit hat Markus meinen Beitrag kommentiert beziehungsweise sich bedankt und ich habe ihm geantwortet. So kam es zu einem Kontakt und schließlich hatte ich die Idee, ein schriftliches Interview mit ihm und der Band über das Album und die Bandgeschichte hier auf meinem Blog zu veröffentlichen. Er sagte sofort ja. Darüber freue ich mich sehr. Denn das Album ist wirklich toll.

[Bleeding] Foundation 2025
[Bleeding] Foundation 2025

Es ist mehr als nur hervorragende Alternative-Rock-Musik – es ist ein Weckruf. Die zentrale Botschaft des Albums ist, dass Widerstand gegen systematische Ausgrenzung, staatliche Kontrolle und kollektive Gleichgültigkeit nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist. Das finde ich in der heutigen Zeit, in der Rassismus und Diskriminierung wieder salonfähig sind, der Rechtspopulismus immer weiter zunimmt und rechte Selbsternannte einen Geheimplan gegen Deutschland schmieden, super und so wichtig. Er beinhaltet die Abschiebung von Millionen Menschen. Wir müssen unsere Stimmen dagegen absolut erheben!

Ein großes Kompliment für das ausgezeichnete Album und Dankeschön an dieser Stelle, auch für das Interview! 😊

Genosha Album Cover
Genosha Album Cover

Und hier ist das Interview:

Frage: Markus, möchtest du uns etwas über die Geschichte eurer Band erzählen?

Markus:

Erst einmal, vielen Dank für Dein Interesse an uns, Lorenzo. Ich versuche es mal kurz zu halten, fürchte aber, dass ich etwas ausholen muss. Lars, Frank und ich machen schon seit Ewigkeiten zusammen Musik und das durchgehend seit unserer Schulzeit in verschiedenen Bands. Angefangen haben wir mit der Waverock- und Postpunkband Friday Is Scrapped. Dann haben wir mit Luzifer Sam Gothicmetal gespielt und mit „Alice Dee“ und „Lucidity“ zwei Alben rausgebracht. Nach dem Ende der Band haben wir PORTER gegründet, uns eher orientiert an kurzen Rocksongs wie z. B. der Foo Fighters, ebenfalls zwei Alben und diverse EPs veröffentlicht und ohne Ende live gespielt. „Damocles“ (2011) und „Wolkenstein“ (2013) sind hier unsere Vermächtnisse. Das zeigt vielleicht schon, dass wir uns stilistisch gerne verändern und neugierig auf Neues sind.

Das „Wolkenstein“ Album hatten wir 2012 mit einem Crowdfunding finanziert und dann 2016 angefangen das nächste Album zu planen, das – das stand schon sehr früh fest – „Genosha“ heißen und ein Konzeptalbum werden sollte. Ich hatte über Twitter damals den Berliner Fotografen Jürgen Bürgin kennengelernt, dessen Bilder aus seinem New York-Zyklus mich total fasziniert haben. So sehr, dass ich begonnen habe, die Inspiration durch diese Bilder in Texte umzusetzen. Und ebenso wie Jürgens Bilder, griffen die Geschichten der einzelnen Songtexte plötzlich ineinander und begannen eine Art Eigenleben.

Wir gingen also Anfang 2017 ins Goldsoundmusic Studio nach Hagen und haben Schlagzeug, Bass und Rhythmusgitarre aufgenommen und uns dann an ein – erfolgreich abgeschlossenes – Crowdfunding gemacht. Lief alles verdammt geil, bis unser Sänger Christian dann plötzlich Stimmprobleme bekam. Damals war uns die Tragweite des Ganzen noch nicht bewusst, aber es gipfelte darin, dass Chrisse auch nach vielen Stimmtherapien, Vocalcoaches und vielem mehr, seine Singstimme nicht wiederbekam. Ganz nebenbei kam auch noch die Corona-Pandemie und so gingen die Jahre ins Land. Ein positiver Nebeneffekt der Wartezeit war, dass Lars sich inzwischen mittels Fernstudium zu einem veritablen Produzenten weiterentwickelt und sich in seinem Haus ein Studio eingerichtet hatte. Wir waren also plötzlich autark und endlich auch in Sachen Produktion auf niemanden mehr angewiesen. Die totale künstlerische Freiheit.

Frage: Wie kam es dazu, dass ihr jetzt nur noch zu dritt seid, beziehungsweise euch neu gegründet habt?

Markus:

Es ging in den letzten Jahren sowas von auf und ab – die wohl schwerste Zeit bisher für als Band – und nach 6 langen Jahren des Wartens auf Chrisses Genesung haben wir dann gemeinsam die Reißleine gezogen und er ist schweren Herzens nach 20 Jahren als Sänger zurückgetreten. Wir haben dann recht schnell einen neuen Sänger gefunden, der dann zumindest „Genosha“ als Projekt neu einsingen sollte. Das hat er auch gut gemacht und gerade als das Album dann endlich auf die Zielgerade ging, hat unseren Bassisten Volker das Durchhaltevermögen verlassen und er ist ausgestiegen.

Naja, und wer Lars, Frank und mich kennt weiß, dass aufgeben noch niemals auch nur der Hauch einer Option war. Als Band nicht, und was das Album angeht, schon mal gar nicht. In „Genosha“ steckten zum einen viel zu viel Herzblut und jahrelange Arbeit, und zum anderen wussten wir, dass wir mit diesem Album etwas echt Großes erschaffen haben. Das Teil ist von vorne bis hinten in allen Belangen durchdacht und hat so viel zu erzählen. Musikalisch wie inhaltlich. Das sind halt von der ersten Note bis zum letzten Wort wir! Und ja, jedes Album jeder Band ist „immer das Beste, dass man je gemacht hat“, ich weiß. Aber fuck, genauso fühlt es sich an. Lars hat da als Produzent auch echt einen phänomenalen Job gemacht und wir klingen wohl zum ersten Mal in unserer langen Karriere so, wie wir klingen wollen!

Das Beenden von PORTER war dann nur noch der letzte, schmerzhafte, aber konsequente Schritt auf dieser langen Reise. Wir hatten vor Urzeiten schon gesagt, dass wenn auch nur einer von uns aussteigen würde, könnten wir nicht mehr PORTER sein. Und so fühlte es sich nach Chrisses Ausfall dann auch an.

Fragen: Warum habt ihr euch von „Porter” in „[Bleeding] Foundation” umbenannt beziehungsweise was steckt hinter dem Bandnamen „[Bleeding] Foundation“? Gibt es dafür besondere Hintergründe?

Markus:

Der Schritt hin zu [Bleeding] Foundation war für uns ein logischer. Wir brauchten einen Neuanfang. Der Name hat sehr viel mit den letzten Jahren zu tun, mit dem, was wir erlebt haben und was sich immer wieder zeigt. Niemand geht unverletzt durch dieses Leben, aber wenn man seine Niederlagen und Wunden akzeptiert, kann man durchaus gestärkt aus all dem wieder rauskommen und neue Kraft finden, um weiterzumachen.

Ein praktischer Nebeneffekt, dass wir den Namen PORTER nach so langer Zeit abgelegt habe ist, dass es eine mexikanische Band gleichen Namens gibt, die ebenfalls Alternativerock spielt, da blieben Verwechslungen natürlich nicht aus.

Frage: Für alle, die euch noch nicht kennen: Wie würdet ihr euren Sound in drei Worten beschreiben?

Markus:

Die Basis unserer Musik sind definitiv die Gitarrenriffs, die die Songs tragen. Dazu kommen manchmal hymnische Refrains und verschiedene Schichten von Ambient-Gitarren, die den Hörer auf eine Reise in unsere Songwelten mitnehmen sollen. Wir selbst verorten uns musikalisch irgendwie im weiten Feld des progressiven Alternative Rocks mit Metal-, Punk aber auch Indie-Einflüssen. Ist ja auch klar, wenn Menschen mit ausprägtem musikalischen Interesse aufeinandertreffen, dass da unglaublich viele Einflüsse zusammenkommen. Also wenn Du drei Worte möchtest: Progressive Alternative Rock.

Fragen: Wie entsteht bei euch ein Song? Erst die Musik oder die Texte?

Markus:

Der Songwriting-Prozess läuft bei uns immer ziemlich gleich ab. Und im Grunde komplett unabhängig vom Schreiben der Lyrics. Lars oder Frank kommen mit einer groben Songidee oder einer Handvoll Riffs in den Proberaum und spielen ihre Ideen vor. Dann jammen wir alle zu dem, was wir uns auf unseren Instrumenten und als Gesangsmelodie dazu vorstellen können, und der Song entsteht langsam Stück für Stück. Es ist ein bisschen so, als würde man einen grob behauenen Marmorblock mit vielen kleinen Hämmern formen, bis man am Ende einen echten Rodin hat. Mega spannend, weil man am Anfang nie weiß, nicht einmal ahnt, was am Ende dabei herauskommt. Deshalb arbeiten wir am liebsten gemeinsam im Proberaum an den Songs, was ja heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Ich schreibe bei uns ja die Texte, und habe eigentlich immer einen Haufen Texte parat und so kommen Inspiration und musikalische Ideen zu einem großen Ganzen zusammen. Es ist natürlich nicht immer so, wie bei „Genosha“, dass die Texte zusammengehören.

Fragen: Was inspiriert euch beim Liederschreiben – eher persönliche Erfahrungen oder gesellschaftliche Themen? Gibt es bestimmte Themen oder Emotionen, die euch in euren Texten besonders wichtig sind?

Markus:

Thematisch bringt das neue Album die Themen, die uns bewegen, schon sehr auf den Punkt. Es ist immer sehr politisch, auch wenn man es vielleicht auf das erste Hören gar nicht merkt. Und machen wir uns nichts vor, die meisten Menschen hören doch gar nicht wirklich auf die Lyrics. Deshalb war es uns ja auch ein großes Anliegen, „Genosha“ ein 16-seitiges Booklet mit allen Texten und den sie inspirierenden Fotos beizulegen. Wirtschaftlich für eine Band wir uns so katastrophal unsinnig wie eine Herzenssache! Wir sind uns bewusst, in was für einer zerbrechlichen Welt wir leben und dass z.B. eine intakte Umwelt, soziales Miteinander und Demokratie nicht gottgegeben sind, sondern immer wieder gegen immer stärker werdende totalitäre und faschistische Tendenzen verteidigt werden müssen. Grundsätzlich beleuchten wir auf unterschiedliche Weise die Frage, in was für einer Welt wir leben wollen und wie weit jeder Einzelne von uns gehen muss, um auf seiner Ebene etwas zum Besseren verändern zu können. Unsere Texte sind also definitiv politisch, ja.

Das Wichtigste ist für uns natürlich, dass die Musik gehört wird, egal aus welcher Motivation heraus. So kann man die Musik genießen, ohne auf die Texte, die Geschichten und die Botschaften Wert legen zu müssen. Aber: Wir bieten unseren Hörern die Möglichkeit, tiefer in unsere Songs einzutauchen, denn wir sind nicht der Meinung, dass Musik unpolitisch sein sollte. Aber hey, natürlich kann jeder daraus herauslesen, was er will. Wie könnten wir den Zuhörern Regeln auferlegen?

Fragen: Wie kam es zu der Idee des „Genosha“-Albumprojekts? Und warum wolltet ihr drei das unbedingt weitermachen?

Markus:

Die grundsätzliche Idee zu „Genosha“ entstand in der Tat wohl zuerst in meinem Kopf beim Betrachten von Jürgen Bürgins Bildern und unter dem Einfluss der vor 10 Jahren herrschenden politischen Stimmung. Ursprünglich hatte ich nur dieses eine Lied, eben den Track „Genosha“ im Kopf, aber Frank hat dann bei einer Probe quasi bestimmt, dass das neue Album ebenso heißen müsse. Und dann wurde aus einem Song eben ein ganzes thematisch geklammertes Album.

Inzwischen, 10 Jahre später, ist die Welt, die wir mit „Genosha“ quasi fiktiv entworfen haben, leider viel wahrscheinlicher geworden, als sie es damals war. Wir könnten also leider gar nicht aktueller sein.

Fragen: Gibt es ein Lied auf dem Album, das euch besonders am Herzen liegt? Warum?

Markus:

Immer, wenn wir dachten, das wäre ein Lied, dass uns besonders wichtig ist, vielleicht das naheliegendste, nämlich „Tout est pardonné“, mit den bewegenden Worten von Sophie Scholl, wurde es Woche für Woche von einem anderen Song abgelöst. Ich glaube für uns drei sprechen zu können, dass sich der jeweilige Lieblingssong eigentlich ständig ändert. Was für mich ein gutes Zeichen in Richtung der eigenen Wertschätzung für das Album ist.

Frage: Das Vorgänger-Album „Wolkenstein“ wurde von Henning in seinem Blogbeitrag erwähnt. Darüber würde ich natürlich auch gerne etwas erfahren. Wann ist das Album erschienen?

Markus:

„Wolkenstein“ war im Grunde damals unser bislang ambitioniertestes Album als PORTER. Ich habe 2012 im Radio einen Bericht über Crowdfunding gehört und einfach eins gestartet. Da hatten wir noch keinen Song fertig. „Leider“ lief das Crowdfunding aufgrund von ganz vielen tollen Menschen im Netz – hier muss ich besonders die, früher noch intakte und sehr besondere, Twitter-Community hervorheben – extrem gut und wir waren „gezwungen“ das Album aufzunehmen. Manchmal braucht man einfach auch etwas kreativen Druck. 😉

Das Album ist so etwas wie das Bindeglied zwischen der Musik, für die PORTER früher, seit unserer Gründung Stand und dem, was Ihr heute auf „Genosha“ hören könnt. Hier finden sich auch ein, zwei genreuntypische musikalische Experimente, die sehr viel Spaß gemacht haben.

Frage: Und war es komplett auf Deutsch oder nur der Albumtitel?

Markus:

Ich weiß schon, dass der Name deutsche Texte nahelegt, aber dem ist überhaupt nicht so. Auch wenn „Wolkenstein“ kein so stringentes Konzeptalbum wie „Genosha“ ist, dreht es sich thematisch schon um einen sehr freigeistigen Kern. Ich bin durch Zufall mit dem mittelalterlichen Ritter und Minnesänger Oswald von Wolkenstein – eben aus dem Ort Wolkenstein in Südtirol – in Berührung gekommen und war ziemlich fasziniert, wie freigeistig und open minded der Typ vor vielen Jahrhunderten schon durchs Leben ging. Und abgesehen, dass sich ein Song um eben diesen Oswald von Wolkenstein dreht, war dieser Impuls dann ausschlaggebend für die Themen aller anderen Songs. Aber – nein – die sind alle auf Englisch.

Gibt es das Album irgendwo noch zu hören oder zu kaufen? Das wäre interessant zu wissen. Einige von uns würden es bestimmt gerne auch mal hören. Ich auf jeden Fall. 🤗

Markus:

Als wir uns in [Bleeding] Foundation umbenannt haben, war es auch aus technischen Gründen notwenig einen echten Cut zu machen. Und da wir die ersten Singles von „Genosha“ schon auf unserem PORTER-Account auf Spotify veröffentlicht hatten, mussten wir den gesamten Account schweren Herzens löschen. Da es uns aber schon auch wichtig ist, dass man das Album – genau wie „Damocles“ von 2011 – noch hören kann, wenn man möchte, gibt`s das jetzt auch wieder auf Spotify, Apple Music und den ganzen anderen Streaming Portalen. Einfach nach PORTER und „Wolkenstein“ suchen.

Und für die ganz Verrückten gibt`s auch noch die CD zu kaufen, mit fettem Booklet. Da wir ja alles immer selbst im Sinne des DIY Ethos machen, ist der Weg ganz einfach, uns zu kontaktieren.

Fragen: Kann man euch irgendwann beziehungsweise irgendwo mal live erleben? Wird es sogar mal eine ganze Tour geben?

Markus:

Klar ist es ein Ziel [Bleeding] Foundation auch auf die Bühne zu bringen. Allerdings haben wir in der letzten Zeit wirklich alles erst einmal der Fertigstellung von „Genosha“ untergeordnet. Und da wir ja wirklich alles, von den Aufnahmen, der Produktion und dem Mastering, über das Artwork und die Videos bis hin zu Social Media, Vermarktung und Versand des Vinyl-Albums selber machen, war da bisher kaum Raum für eine konkrete Planung. Noch dazu haben wir ja gerade erst das neue Line-Up der Band zusammengestellt und sind in der Frühphase des Probens.

Fragen: Ihr habt sicher schon einmal eine Tournee oder Auftritte absolviert, oder? Wenn ja, wie fühlt es sich an, eure Musik live auf der Bühne zu spielen?

Markus:

Wir machen das ja schon verdammt lange und haben unendlich viele Gigs hinter uns – in wirklich allen Ausprägungen. Von ausverkauften Headlinergigs auf wundervollen Festivals bis zu den typischen von 3 Leuten besuchten Auftritten in abgelegenen Keller-Clubs. Gehört halt alles dazu. Es macht irre Spaß das Ganze in voller Lautstärke auf die Bühne zu bringen und zu sehen, wie Menschen darauf reagieren, kann man nicht anders sagen. Und wer das einmal erlebt hat, will vermutlich zwangsläufig mehr davon haben. Ich kann mich noch sehr gut an unseren allerersten gemeinsamen Gig überhaupt erinnern. Danach lagen Lars und ich uns latent angeheitert in den Armen und haben uns gesagt, dass wir das, was wir da gerade gespürt hatten, jetzt immer wieder haben wollen!

Aber, und das gehört auch zu unserer aktuellen Wahrheit, haben sich die Schwerpunkte schon verschoben. Hat vielleicht etwas mit Alter zu tun und vor allem auch damit, dass wir von all dem nicht leben müssen und wissen, dass wir eh immer nur Geld in die Musik stecken, das wir dann niemals wiedersehen. War es früher so, dass wir Aufnahmen, Demos und Alben im Grunde deshalb gemacht haben, damit wir Gigs bekommen, ist es heute eher so, dass uns die Alben an sich vielleicht das Wichtigste sind, das Gefühl etwas zu erschaffen, dass vielleicht dem einen oder der anderen etwas bedeutet, ihm oder ihr im besten Fall in einer persönlichen Lebensphase Halt gibt. Das Live-Spielen ist nicht mehr der zentrale Punkt unseres Schaffens, sondern das Sahnehäubchen obendrauf.

Frage: Gibt es einen Gig, der euch besonders in Erinnerung geblieben ist?

Markus:

Ich weiß gar nicht, ob es da einen besonderen Gig gibt. Da sind so viele einzelne Erinnerungen an bekloppte Sachen, die passiert sind – und ebenso viele Erinnerungen, die eigentlich da sein müssten, besonders aus unseren wilden Tagen. Da gab es Abende, an denen unser Nebelmann Sven den ganzen Ringlokschuppen in Mülheim so eingenebelt hat, dass alle Tore aufgerissen werden mussten, betrunkene Mitglieder von Rockerbanden, die allzu anhängliche Fans wurden, das Fallen von Bühnen zu allen Seiten, Bühnen auf die wir kaum drauf passten und andere, die fast zusammenbrachen. Ist vielleicht ein ganz eigenes Thema.

Frage: Wie wichtig ist euch der Kontakt mit euren Fans?

Markus:

Der ist mega essenziell, würde ich sagen, denn wenn sich niemand für die Musik interessieren würde, wäre das ganze wie musikalisches Onanieren. Feedback zu bekommen ist schon unglaublich schön. Außerdem haben so unglaublich viele liebe Menschen da draußen uns durch die Crowdfundings und vor allem durch die letzten miesen Jahre getragen, so dass es uns vielleicht ohne ein paar der Supporter*innen gar nicht mehr geben würde. Wir sind ja eine kleine Independentband und da kennst Du natürlich die Die Hard-Fans schon auch persönlich. Es gibt so kreative Menschen darunter wie z. B. Ulf Hundeiker, der uns während des Produktionsprozesses von „Wolkenstein“ einfach mal ein halbes Jahr lang mit seiner Kamera begleitet und daraus einen 90 minütigen Film gemacht hat. Wie geil ist das Bitte, wenn jemand so etwas für Dich macht?

Noch dazu sind das alles so wundervolle, aufrechte Menschen, die uns stets auch immer dann supporten, wenn wir sehr klare Ansagen machen, und wenn es darum geht, gegen rassistische, homophobe oder ausgrenzende Tendenzen vorzugehen. Die meisten Menschen, die sich mit uns auseinandersetzen und uns das mitteilen sind unglaublich toll und sehr rücksichtsvoll. Ich denke, auch dafür können wir sehr dankbar sein. Irgendwie fühlt es sich ein wenig so an, als gäbe es hier für uns, aber eben auch für unsere Zuhörenden eine Art Safe Space.

Fragen: Was plant ihr als Nächstes? „Genosha” weiter zu promoten? Oder arbeitet ihr schon an einem Nachfolger? Habt ihr vor, die Band zu erweitern?

Markus:

Im Moment möchten wir zwar, dass „Genosha“ noch etwas weitere Kreise zieht, aber parallel arbeiten wir in der Tat gerade an neuen Songs und wollen in nicht allzu langer Zukunft neue Sachen aufnehmen. Die Band ist auch bereits schon wieder komplett. Wir haben einen neuen Sänger und einen neuen Bassisten, die aber beide alte Bekannte von uns sind. Das ist uns gerade nach den letzten Erfahrungen superwichtig. Wir möchten Musik mit Menschen zusammen machen, denen wir vertrauen und mit denen wir auf einer Welle ticken. Und das passiert gerade und fühlt sich verdammt gut an. Die Details gibt`s dann bald.

Fragen: Und was machst du beziehungsweise ihr sonst so? Du bloggst ja auch, oder? Aber die Musik steht bei euch im Mittelpunkt, oder?

Markus:

Oh, das würde vielleicht den Umfang des Interviews sprengen. 😉 Ich glaube ich darf uns alle als sehr kreative Menschen bezeichnen. Für Frank, Lars und mich als musikalische Einheit steht seit Ewigkeiten die Musik im Vordergrund und wir sehen auch wirklich keine reale Möglichkeit, ohne diese Band zu leben und keine Musik zu machen! Das Ganze macht so großen Spaß und gehört einfach zu unseren Leben dazu! Eine von Lars` großen Professionen ist inzwischen das Produzieren von Musik, er nimmt da neben unseren Sachen auch andere Künstler auf.

Lars und ich sind seit einem Jahr dazu auch noch mit großer Begeisterung die Hosts des TuneFish Musiknerd Podcasts. Hört da sehr gerne mal rein, überall wo es Podcasts gibt oder über unsere Website tunefish-podcast.de. Wir veröffentlichen alle 14 Tage eine neue Episode und die gehen dann auch gerne schon mal dreieinhalb Stunden lang.

Und ja, wie Henning und Du blogge ich auch, schreibe Reiseblogs, und tobe mich auch sonst auf ziemlich vielen kreativen Spielwiesen aus.

Frage: Welche Bands oder Künstler:innen haben euch musikalisch beeinflusst?

Markus:

Ganz am Anfang unserer Karriere hatten wir sicherlich diese Phase, in der wir bestimmte Bands oder Sounds nachahmten. Das war aber eher bei den Bands vor PORTER der Fall. Bei Friday Is Scrapped haben wir uns recht stark am Wave und Post-Punk der 80er Jahre orientiert, wie Joy Divison, The Chamaeleons, Wipers aber auch an Bands wie The Cult oder Fields oft the Nephilim. Mit Luzifer Sam wurden unsere Songs dann epischer und komplizierter. Einerseits waren wir da von Metal und Dark Wave inspiriert, andererseits aber eben auch von der aufkommenden Alternative Nation mit Grunge und Crossover. Als wir mit Porter anfingen, hatten wir eigentlich keine direkten Vorbilder, aber die Idee war, mit den Songs wieder schneller auf den Punkt zu kommen und kurze Rocksongs zu schreiben. Ich denke, unser Album „Wolkenstein“ hat uns dann endgültig von äußeren Einflüssen befreit und ist – wie schon gesagt – eine Art Übergangsphase zwischen den PORTER aus den Anfangstagen und den rifforientierten [Bleeding] Foundation, die wir heute sind, wieder mit mehr Drive in Richtung Metal und gewiss auch progressiver. Und unsere persönlichen Vorlieben, wie Metal, Alternative Folk oder Harcdore werden sicherlich unbewusst immer mit eingestreut.

Fragen: Wo seht ihr euch als Band in fünf Jahren? Gibt es ein musikalisches Ziel oder einen Traum, den ihr euch unbedingt noch erfüllen wollt?

Markus:

*lach* Sagen wir mal so. Nach der fucking 10-jährigen Produktionsphase zu „Genosha“ denken wir nicht mehr in Jahreszeiträumen, sondern nur noch darüber nach, was wir als nächstes machen wollen. Das fühlt sich gut an und ist irgendwie auch gesund, denn Pläne … ja nun. Im Moment geht es uns darum, das nächste Kapitel zu schreiben. Also im Grunde ja das erste Kapitel mit der neuen [Bleeding] Foundation Besetzung. Und das wird definitiv wieder ganz anders klingen als „Genosha“, so sehr wir das auch gerade mögen. Im Moment gefällt uns der Gedanke sehr, dass wir uns stetig verändern können und großen Spaß daran haben, herauszufinden, was da alles so in uns steckt.

Frage: Mit wem würdet ihr gern mal zusammenarbeiten – egal ob realistisch oder utopisch?

Markus:

Ach, im Grunde ist auch das etwas, das wir auf uns zukommen lassen. Es kann sehr gut sein, dass wir demnächst mal mit befreundeten Bands oder Künstler:innen zusammenarbeiten werden, aber einen konkreten Plan gibt es dazu nicht.

Frage: Gibt es etwas, das ihr euren alten oder neuen Fans mit auf den Weg geben möchtet?

Markus:

Ohne mich mit den Jungs abgesprochen zu haben – mögen sie es mir verzeihen – gibt es eigentlich zwei Dinge, die mir am Herzen liegen. Ich bin aber sicher, dass Frank und Lars das teilen.

Musikalisch freue ich mich über Menschen, die offen sind für neue Erfahrungen, die nicht erwarten, dass Bands immer und für alle Zeiten gleich klingen, ohne sich weiterzuentwickeln. Und bislang durften wird ein Feedback bekommen auf „Genosha“, das gewiss so ganz anders klingt, als „Wolkenstein“, das uns echt sehr glücklich gemacht hat. Anscheinend sind die meisten der Menschen, die uns wohlwollend zugetan sind bereit, unsere Entwicklung mitzugehen. Ich könnte allerdings auch absolut verstehen, wenn es nicht so wäre. Aber es wäre irgendwie auch komisch und vielleicht alarmierend, wenn wir nach 10 Jahren immer noch die gleichen Menschen wären wie früher. Warum also sollte es unsere Musik sein?

Die andere für uns wichtige Ebene ist, wenn die Dinge auf politischer Ebene in die falsche Richtung laufen, und da gibt es derzeit ja mal wieder so einiges, geben wir eine klare Botschaft ab und es gibt rote Linien, deren Überschreitung von uns nicht akzeptiert wird. Und gemäß unserer sowohl künstlerischen als auch demokratischen Einstellung würde ich mir in meinen kühnsten Träumen wünschen, dass sich unsere Zuhörer:innen – wenn sie mögen – auch mit unseren Texten auseinandersetzen und sich dementsprechend ebenso selbstbewusst im politischen Diskurs im Alltag behaupten, und sich für eine soziale, mitfühlende, offene Welt einsetzen. Auf dass „Genosha“ dann am Ende doch nicht zu unserer realen Wirklichkeit wird. Bleibt optimistisch!


Lieber Markus, nochmals vielen Dank für dieses Interview! Es bedeutet mir nämlich sehr viel.

Lorenzo

PS: Dieses Interview ist eine unbezahlte Werbung.

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2 Kommentare

    1. Bitte sehr, Markus. Aber ich möchte mich auch bei dir beziehungsweise euch für dieses tolle Interview bedanken. 🙏

      Es ist wirklich klasse geworden. Ich bin so glücklich darüber! 😊

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