Nach der Veröffentlichung meines Beitrags „Warum dieser Hass überall?” habe ich viele Kommentare, Nachrichten erhalten und Gespräche geführt. Zustimmung, Zweifel, Widerspruch und Ergänzungen. Genau das habe ich mir gewünscht: Austausch statt Schweigen. Dieser Blogbeitrag ist kein Widerruf. Er ist eine Präzisierung.
Hass ist real – aber nicht überall gleich laut
Zu Recht wurde angemerkt, dass der Ton im echten Leben oft leiser ist als im Internet. Im Dorf grüßt man sich. Auf der Straße hilft man sich gegenseitig. Vieles funktioniert besser, als es online den Anschein hat.
Das stimmt. Und trotzdem ist es kein Gegenargument. Denn das Netz ist längst kein Paralleluniversum mehr. Es prägt Wahrnehmungen, normalisiert Sprache und verschiebt Grenzen. Was online sagbar wird, bleibt nicht ohne Folgen. Es sickert in den Alltag, in Gespräche und Haltungen – langsam, aber stetig.
Hass ist nicht immer laut. Manchmal ist er ein Augenrollen. Ein Schweigen. Ein Wegsehen.
Benennen heißt nicht pauschalisieren
Ein wiederkehrender Einwand lautete: Man müsse Probleme doch benennen dürfen, beispielsweise religiösen Extremismus, Antisemitismus, Gewalt oder Integrationskonflikte.
Ja, unbedingt. Probleme zu benennen ist notwendig. Gefährlich wird es jedoch, wenn aus Analyse Pauschalisierung wird. Von Kritik zur Entmenschlichung. Von berechtigter Sorge zu kollektivem Misstrauen.
Mein Punkt war nie, Probleme zu leugnen. Mein Punkt ist, dass Hass keine Lösung ist – egal, wie real die Probleme sind.
Hassbekämpfung ist keine Zensur
Ein weiterer wichtiger Diskussionsaspekt ist die Sorge, dass der Kampf gegen „Hass und Hetze“ in Zensur umschlagen und die Meinungsfreiheit bedrohen könnte.
Auch diese Sorge ist legitim. Eine offene Gesellschaft lebt von Meinungsfreiheit, Widerspruch und Debatte. Wenn Kritik jedoch eingeschüchtert oder moralisch erstickt wird, entsteht kein Fortschritt, sondern Angst.
Aber auch hier gilt: Die Meinungsfreiheit endet dort, wo Menschen systematisch abgewertet, bedroht oder entmenschlicht werden.
Hass zu benennen, bedeutet nicht, Diskussionen zu unterbinden. Es heißt, Grenzen zu ziehen, damit Diskussionen überhaupt möglich bleiben.
Müdigkeit ist verständlich – Gleichgültigkeit nicht
In mehreren Kommentaren wurde ein sehr menschliches Thema angesprochen: Erschöpfung. Die Müdigkeit, sich immer wieder einzumischen und zu widersprechen, oft ohne sichtbaren Effekt, ist nachvollziehbar.
Das kann ich gut nachvollziehen. Niemand muss überall kämpfen. Das kann auch niemand. Es ist klug, Prioritäten zu setzen, sich zu vernetzen und auf die eigene Kraft zu achten.
Aber: Sich zurückzuziehen, weil es anstrengend ist, darf nicht in Gleichgültigkeit kippen. Denn Gleichgültigkeit ist der Nährboden, auf dem Hass gedeiht.
Haltung zeigt sich nicht im Dauerstreit, sondern im entscheidenden Moment.
Keine Lagerlogik
Vielleicht ist dies der wichtigste Punkt dieses Nachtrags: Hass ist kein exklusives Problem einer politischen Richtung. Er tarnt sich links wie rechts, religiös wie säkular, als moralisch überlegen oder vermeintlich realistisch.
Ich selbst bin politisch eher links, ja. Aber Haltung gegen Hass ist keine Parteifrage. Sie ist eine Frage der Menschlichkeit.
Eine demokratische Gesellschaft braucht eine starke Mitte, lebendige Ränder – und vor allem die Fähigkeit, den anderen nicht zum Feind zu erklären.
Was bleibt
Wir werden den Hass nicht abschaffen können. Fanatiker werden wir nicht bekehren. Und wir werden Konflikte nicht lösen, indem wir sie ignorieren.
Aber wir können entscheiden,
- wie wir sprechen,
- wo wir widersprechen,
- wann wir solidarisch sind,
- und wann wir nicht schweigen.
Wenn dieser Blogbeitrag und die Diskussion darunter eines gezeigt haben, dann das: Viele Menschen wollen genau das. Und das macht mir Hoffnung – trotz allem.
Lorenzo
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