Gestern war ein schwarzer Tag für alles, was wir unter Verantwortlichkeit, Menschenrechten und Umweltschutz verstehen. Mit 382 zu 249 Stimmen wurde im Europäischen Parlament beschlossen, die geplante Richtlinie zur Unternehmensverantwortung und Lieferkette (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) massiv abzuschwächen.
Was genau entschieden wurde
- Die Schwelle, ab der ein Unternehmen unter die Pflicht fällt, wird auf mehr als 5.000 Beschäftigte und einen Mindestumsatz von 1,5 Milliarden Euro angehoben. Damit fallen rund 90 % der ursprünglich erfassten Unternehmen aus dem Regelungsbereich heraus.
- Die Pflicht, Klimatransitionspläne zu erstellen, wurde gestrichen.
- Die zivilrechtliche Haftung auf EU-Ebene entfällt und vieles wird in die nationalen Rechtsordnungen zurückgeschoben, was eine entsprechend schwächere Durchsetzung zur Folge hat.
- Besonders gravierend ist, dass Teile der konservativen EVP (EPP) gemeinsam mit rechten und rechtsextremen Fraktionen für diese massive Abschwächung stimmten. Eine politische Allianz, die früher tabu war.
Warum mich das wütend macht
Auf meinem Blog liest du regelmäßig, dass Menschenrechte, Klimaschutz und ein solidarisches Miteinander für mich nicht verhandelbar sind. Was im EU-Parlament passiert ist, steht jedoch diametral zu all diesen Werten.
Ein Rückschritt für Menschenrechte
Wenn Unternehmen kaum noch dazu verpflichtet sind, Risiken wie Kinderarbeit, Zwangsarbeit oder Ausbeutung in ihren Lieferketten zu identifizieren und zu verhindern, bedeutet das: Die ohnehin verletzlichsten Menschen verlieren erneut. Weniger Kontrolle bedeutet mehr Leid – und zwar dort, wo niemand hinschaut.
Ein Schlag ins Gesicht des Klimaschutzes
Der Wegfall verbindlicher Klimatransitionspläne macht deutlich, wie gering der politische Wille ist, Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen. Dies ist ein Rückschritt, der uns im Kampf gegen die Klimakrise um Jahre zurückwirft. Gerade jetzt, wo jeder wissenschaftliche Bericht zu schnellerem und mutigerem Handeln mahnt, setzt die Politik auf „Wirtschaft vor Zukunft“.
Ein politisches Versagen – und ein Dammbruch
Die Tatsache, dass konservative Abgeordnete Hand in Hand mit rechten und rechtsextremen Kräften abgestimmt haben, ist ein politisches Warnsignal. „Brandmauer”? Offenbar egal. Wenn Grundrechte, Demokratieverständnis und elementare Werte plötzlich zweitrangig werden, weil wirtschaftliche Interessen wichtiger erscheinen, dann ist das ein Alarmsignal für ganz Europa.
Und das Gefährlichste: Man stärkt genau die Kräfte, die unsere Demokratie untergraben wollen
Wer mit rechten oder rechtsextremen Parteien gemeinsame Sache macht – selbst „nur“ in einzelnen Abstimmungen –, normalisiert diese Kräfte. Er rückt sie in die politische Mitte. Man gibt ihnen Einfluss, Legitimität und öffentliche Aufmerksamkeit. Am Ende stärkt man so genau jene, die demokratische Grundwerte, Menschenrechte und Minderheitenschutz systematisch abbauen wollen.
Die Abschwächung des Lieferkettengesetzes ist also nicht nur ein politischer Fehler, sondern auch ein gefährlicher Präzedenzfall für künftige Kooperationen, durch die Rechtsextreme weiter an Einfluss gewinnen.
Eine Zukunft in Gefahr
Ich mache mir ernsthafte Sorgen. Denn wenn wir die Standards senken, statt sie zu erhöhen, gefährden wir nicht nur die Gegenwart, sondern auch unsere Zukunft. Wir sitzen in einem brennenden Haus, während die Politik darüber streitet, ob das Löschwasser zu teuer ist.
Warum das kein Luxusthema ist
Ein starkes Lieferkettengesetz ist keine unnötige Maßnahme, kein akademischer Idealismus und keine moralische Spielerei. Es ist ein essenzielles Werkzeug im Kampf gegen Ausbeutung, Ungerechtigkeit und ökologische Zerstörung.
Unternehmen, die global agieren, müssen auch globale Verantwortung tragen. Alles andere ist blind – moralisch wie politisch.
Doch statt mehr Verantwortung gibt es nun weniger. Anstelle eines „Level Playing Fields“ für faire Unternehmen erhält man ein Gesetz, das vor allem eines ist: eine vertane Chance.
Was wir jetzt tun können
- Politischen Druck aufbauen! Schreiben, demonstrieren, öffentlich kritisieren – Entscheidungen wie diese dürfen nicht im politischen Schatten verschwinden.
- Transparenz fordern! Wer hat wie abgestimmt? Wer handelt im Sinne der Menschen und des Klimas – und wer verkauft seine Werte für wirtschaftliche Interessen?
- Eigenes Konsumverhalten reflektieren: Unternehmen hinterfragen, Lieferketten betrachten, bewusst einkaufen.
- Politische Alternativen stärken: Parteien und Initiativen unterstützen, die Verantwortung ernst nehmen und nicht wirtschaftsliberale Kurzsichtigkeit über Menschenrechte stellen.
Fazit
Was im EU-Parlament geschehen ist, ist kein „Kompromiss“. Es ist ein klarer Rückschritt, ein politisches, moralisches und ökologisches Versagen.
Wer wirtschaftliche Interessen über Menschenrechte und den Klimaschutz stellt, gefährdet die Grundpfeiler einer gerechten und lebenswerten Zukunft. Wer dabei auch noch den Schulterschluss mit rechten und rechtsextremen Kräften sucht, stärkt ausgerechnet jene, die unsere Demokratie und unsere Werte am meisten bedrohen.
Ich bin entsetzt.
Ich bin wütend.
Aber ich werde nicht schweigen.
Und wir alle sollten das nicht tun.
Lorenzo
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