Warum ist nach Schule oder Ausbildung oft Schluss für Behinderte? Lernen wir wirklich für die Arbeitslosigkeit? Das will mir nicht in meinem Kopf rein. Wieso fördert der Staat uns bis dahin dann so verhältnismäßig gut, wenn viele von uns sowieso keinen Job finden oder in den Behindertenwerkstätten stecken bleiben bzw. für ein „Taschengeld“ arbeiten müssen? Da läuft doch was schief oder nicht?
Klar müssen wir Behinderte uns auch mal selbstständig um uns kümmern, aber wenn viele Firmen sich für kleines Geld freikaufen können, um uns nicht einstellen zu müssen oder sich herausreden, dass es gerade nicht passt, muss der Staat uns doch dann auch helfen. Das schöne Teilhabechancengesetz ist aber hier ein Witz. So ein Gesetz können nur Nichtbehinderte machen! Es gibt zwar einige Förderungen für die Unternehmen, aber sie reichen längst nicht aus. Ich finde, dass der Staat noch mehr machen müsste.
Über vier Jahre ohne Aussicht auf einen Job
Ich zum Beispiel bin jetzt über vier Jahre arbeitslos und ohne Aussicht auf einen Job. Das wird sich wahrscheinlich auch nicht ändern. Natürlich gucke ich mich um und bewerbe mich, aber ich bin Anfang April 46 Jahre alt geworden. Und mit diesem Alter werde ich erst recht nicht mehr mit offenen Armen empfangen. Ich habe zwar Fachabitur und bin ein voll ausgebildeter Bürokaufmann, aber meine Behinderung und mein Alter sind nicht gerade chancenförderlich.
Aber es gibt auch ein weiteres Problem und zwar: Die Firmen lagern meinen Arbeitsbereich oft aus, um Kosten zu sparen. Zum Beispiel die Buchhaltung. Dann gibt es erst recht keine Arbeit für mich mehr. Die Buchaltungsfirmen brauchen zwar auch Mitarbeiter*innen, aber nicht so viele. Außerdem sitzen einige im Ausland oder sind so klein, dass alle Stellen schon besetzt sind.
Nach einer letzten Bewerbung endlich ein Vorstellungsgespräch
Nach einer letzten Bewerbung hatte ich endlich mal ein Vorstellungsgespräch. Bisher wurde ich nie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das Gespräch war auch sehr nett. Und ich hatte danach ein gutes Gefühl, dass es dieses Mal wirklich etwas werden könnte. Ich sollte den Support für die Arbeitscomputer in einer Außenstelle der Firma in Hamburg betreuen. Meine Gesprächspartner wollten sich besprechen, ein paar Dinge abklären und dann sich bei mir melden. Sie schrieben mir kurz daraufhin, dass sie mehr Zeit für die Abklärung benötigen, was auch ok war. Aber dann habe ich nichts mehr von Ihnen gehört.
Nach zwei Monaten fragte ich per Mail höflich nach, was nun wäre. Dann kam die Absage mit der Begründung: Wir haben den Bereich jetzt doch weitgehend ausgelagert und haben damit leider keine Verwendung mehr für Sie. Vielleicht ergibt sich in absehbarer Zeit doch etwas für Sie. Bitte haben Sie Geduld. Nach dieser Absage war ich ein paar Tage lange richtig down und das direkt vor Weihnachten. Ich habe noch zweimal nachgefragt, und die Antwort war immer die gleiche. Der Zug ist wohl abgefahren.
Zu fit für die Frührente
So sind meine Erfahrungen. Ob ich jemals wieder einen Job finde, bezweifle ich, aber in die Frührente schicken lasse ich mich trotzdem lange noch nicht. Dafür bin ich zu fit. Außerdem kenne ich mich mit Home Office super aus. In meinem letzten Job habe ich ja hauptsächlich zuhause gearbeitet.
Jedoch eine Fortbildung bzw. Umschulung zu machen, wie das Jobcenter schon einige Male von mir verlangte, hat nach meiner Meinung nur Sinn, wenn ich etwas in Aussicht hätte. Sonst kann ich ja 1000 Fortbildungen machen. Ich engagiere mich dann lieber anders. Zum Beispiel in der Politik und treibe dort die Inklusion voran. Außerdem habe ich ja das Schreiben für mich entdeckt – hier auf meinem Blog.
Vielleicht scheint mein Thema aktuell unangemessen
Vielleicht scheint mein Thema „Lernen für ein Leben ohne Arbeit“ aktuell wegen Corona und dem Krieg in der Ukraine unangemessen, obwohl es so viele Behinderte betrifft. Ich hoffe natürlich, dass der Krieg bald aufhört, die Ukrainer wieder so leben können wie vorher und wir die Energiekrise ausgestanden haben. Die beruflichen Sorgen von Behinderten werden dann aber noch lange Thema sein, auch wenn man wie ich seit Mitte September eine über das Jobcenter vermittelte Jobfindungsmaßnahme bei der Eventus-Fortbildungseinrichtung in Kaltenkirchen macht, etwa 5 km von meinem Wohnort Alveslohe entfernt.
Mal sehen, ob ich darüber eine neue Arbeit kriege. Jedoch habe ich große Zweifel, ob ich darüber wirklich leichter was finden kann. Denn der erste Arbeitsmarkt ist ja jetzt noch komplizierter als in der Vergangenheit. Für mich erst recht. Aber für den zweiten Arbeitsmarkt bin ich immer noch zu fit.
Lorenzo
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Das ist echt traurig Lorenzo, dass so fitte und arbeitswillige Menschen nur wegen einer Behinderung aus dem Arbeitsmarkt aussortiert werden. Das macht sogar mich sauer, obwohl ich gar nicht betroffen bin. Das ist einfach ungerecht! Gott sei Dank hast du trotz der Arbeitssituation deine Aufgaben gefunden, in die Du Dich einbringen und verwirklichen kannst. Dennoch ist es nicht okay, dass Menschen mit Behinderung, trotz guter Qualifikationen, aus dem Arbeitsmarkt weitgehendst ausgeschlossen werden…
Ja, Marina, so ist es. Und das macht mich schon traurig. Aber ich gebe nicht auf. Das Schreiben und meine politischen Tätigkeiten sind wirklich eine wichtige Ablenkung für mich und damit kann ich Menschen auch zeigen, dass ich trotz Behinderung nicht dumm bin. Außerdem ist das Schreiben inzwischen wirklich mein Ding bzw. meine Leidenschaft.
Lorenzo