Warum Reiten nicht von den Krankenkassen übernommen wird

Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erkennt Reiten als Therapie (Hippotherapie) immer noch nicht an und somit übernehmen die Krankenkassen auch nicht die Kosten. Für den Bundesausschuss und das Bundesgesundheitsministerium ist der therapeutische Nutzen vom Reiten nicht nachgewiesen und gilt daher auch nicht als verordnungsfähiges Heilmittel.

Obwohl das Reiten durchaus eine positive Auswirkung auf Menschen mit spastischen Behinderungen hat. Sie werden oft dann lockerer. Deshalb ist es für viele wie mich sehr wohl eine geeignete wichtige Therapie. Ich reite mit Unterbrechungen schon seit meiner Kindheit und kann es auch beurteilen. Ich werde auf dem Rücken meiner Nelly wirklich lockerer.

Mein Körper fühlt sich freier an

Nelly überträgt ja ihre Bewegungen auf mich, und ich muss mich mitbewegen, auch um ihr das Gehen leichter zu machen. Die Bewegungen sind aber hauptsächlich Training für mich. Ich muss mich immer wieder neu einpendeln. Mein Muskeltonus wird weniger. Außerdem trainieren die Impulse von Nelly meine Haltungs-, Gleichgewichts- und Stützreaktionen. Und dann bewältige ich meinen Alltag auch leichter. Mein Körper fühlt sich ja durch das Training freier an. Ich kann mich besser bewegen.

Es gibt mehrere Studien, die ganz eindeutig belegen, dass die Reittherapie doch für Verbesserungen bei uns Behinderte sorgt. 2018 wurde zum Beispiel eine Studie veröffentlicht, die Kinder zwischen 5 und 16 Jahren mit Zerebralparese untersucht hat, im Hinblick des Einflusses der Hippotherapie auf Motorik und Lebensqualität. Die Untersuchungen sahen eine Verbesserung des Gehens bei den Kindern. Die Kinder hatten die beidseitige Spastik schon seit der Geburt wie ich auch.

Wir haben keine Lobby

Das hat ein Orthopäde in einem Gutachten auch bestätigt, aber meine Krankenkasse sagte nur „Dankeschön“ und übernahm das Reiten trotzdem nicht. Das kann ich absolut nicht verstehen. Wenn schon Experten es bestästigen, dass das Reiten tatsächlich ein sinnvoller Therapieansatz ist, müssten die Leute im Bundesausschuss und Ministerium es doch wieder neu überdenken oder? Indem sie auch diese Experten und die Behinderten wirklich mal anhören, aber es wird wahrscheinlich nicht passieren. Wir haben keine „Lobby“.

Daneben wird meine Psyche durch die Beziehung zu Nelly gestärkt. Ich muss sie zum Beispiel immer striegeln. Beim Reiten selber fühle ich mich wie ein ganz normaler Reiter. Das heißt, dass ich Vorteile habe, aber auch Pflichten. Ich muss nämlich unterwegs auf Nelly auch immer achten, wie sie reagiert. Pferde können sich schon mal erschrecken oder nicht so reagieren, wie man erwartet. Nelly bleibt zum Beispiel manchmal einfach stehen, weil sie meint, dass die Stunde zu Ende ist. Ich muss ihr dann klarmachen, dass es noch weiterzugehen hat. Man muss als Reiter ja konzentriert und bestimmt sein. Aber wenn man sich darauf einlässt, entsteht eine Beziehung und Vertrauensbasis zum Pferd und umgekehrt. Das hilft wiederum der Psyche.

Wenn es der Psyche gut geht, wirkt es sich positiv auf den Körper aus und gibt somit mehr Selbstvertrauen. Dies unterschätzt man im Ausschuss und Ministerium auch. Pferde sind tolle, soziale und einfühlsame Tiere. Sie können auch eine Motivationshilfe sein, vor allem bei Therapiemüdigkeit.

An den zugegeben nicht geringen Kosten (Therapeut, Pferd, Hafer) darf die Ablehnung nicht liegen. Reiten ist für Behinderte keine reine Spaßveranstaltung, obwohl es viel Spaß macht und deshalb auch guttut, die Motorik verbessert und die Psyche stärkt.

Lorenzo

Nelly und ich
Nelly und ich

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4 Kommentare

    1. Ja, wir Behinderte haben wirklich keine Lobby. Natürlich verlangen wir unabhängig davon auch nicht, dass die Krankenkassen uns alles bezahlen, aber Reiten wäre schon sehr wichtig.

      Lorenzo

  1. “ Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“.
    Echt gut geschrieben. Finde auch, dass es eine anerkannte bezahlte Therapie sein sollte!

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