„Herzstolpern“

So heißt ein Zweiteiler im ZDF bzw. in der ZDF-Mediathek. Es geht um zwei junge erwachsene Menschen mit Trisomie 21, also Down-Syndrom. Sie heißen Emma (Juliane Siebecke) und Felix (Benjamin Raue). Die beiden lernen sich auf einem inklusiven Bauernhof kennen. Da arbeiten sie und üben auch für das Theaterstück „Julia und Romeo„, das der Bauernhof bald aufführen möchte. Inzwischen verlieben Emma und Felix sich ineinander.

Dann reisen sie heimlich nach Italien zu Emmas Opa, obwohl Felix schwer herzkrank ist. Aber weil Emma ihren Opa unbedingt wieder sehen möchte, die Beiden selbstbestimmt leben wollen und er Emma liebt, macht er die Reise mit. Auf der Reise passiert allerhand. Zum Beispiel bekommt Felix in Erfurt Herzstolpern und kippt um. Die Polizei sucht sie und die Eltern fahren ihnen hinterher. Emmas Mutter sperrt die Bankkarte von ihrer Tochter. Somit haben die zwei in München kein Geld mehr für die Weiterfahrt nach Italien, aber Emma ist schlau und tanzt mit Felix in der Bahnunterführung bzw. sammelt so das Geld für Tickets für die Weiterfahrt.

Selbstbestimmt leben

Der Zweiteiler ist wirklich gut gemacht und erzählt auch, wie Eltern ihre Kinder loslassen müssen, auch wenn sie behindert sind. Felix‘ Vater (Sebastian Ströbel) hat ewig Angst, dass Felix sich überanstrengt und dann das Herz stolpert, aber Felix ist schon 21 und möchte so leben wie er möchte. Und das zu recht! Aber das Problem ist halt, dass man uns Behinderten es oft abspricht und uns einfach unterschätzt. Das nervt mich auch. Klar benötigen wir Hilfe, aber nicht immer. Wir können schon ziemlich selbstständig sein. Vielleicht der eine weniger und der andere mehr, aber alles gleich infrage zu stellen ist absolut falsch. Wir wollen und können sehr wohl selbstbestimmt leben wie Nichtbehinderte. Dazu gehört natürlich auch Liebe, Sexualität und körperlicher Nähe. Eine Behinderung bedeutet nicht immer automatisch, dass man blöd bzw. asexuell ist.

Nicht nur über Inklusion reden, sondern auch mal anfangen

Wenn wir schon immer über Inklusion reden, sollten wir echt auch mal richtig anfangen. Wir sagen zwar immer: Ach, wir sind ja schon so inklusiv. Nein, das stimmt nicht. Wenn dem so wäre, könnten wir schon toll bestimmt leben. Auch beruflich. Stattdessen müssen viele von uns kämpfen, um endlich mal halbwegs selbstbestimmt zu leben, nicht in den Behindertenwerkstätten mit einem lächerlichen Taschengeld versauern zu müssen ohne einen Job zu finden. Natürlich sind Behindertenwerkstätten für ein paar von uns das Richtige, aber dann bitte mit einem richtigen Gehalt. Aber oft wird nur geredet und nichts passiert. Dabei würde eine richtige Inklusion auch nicht viel mehr kosten als jetzt.

Symbolbild: Inklusion
Symbolbild: Inklusion

Tolle Beispiele

Außerdem gibt es tolle Beispiele, was wir trotz einer Behinderung alles erreichen bzw. machen können. Zum Beispiel der spanische Lehrer und Schauspieler Pablo Pineda erreichte als Erster in Europa mit Down-Syndrom einen Universitätsabschluss. Er wurde 2010 im Rahmen des Welttages mit dem World Down Syndrome Award ausgezeichnet. Die World Down Syndrome Awards werden seit 2010 für besonderes Engagement im Beruf, Ehrenamt und in der Wissenschaft verliehen, auch an Down Syndrom-Menschen.

Luisa Wöllisch ist ebenfalls Schauspielerin, die im März in der Episode „Eine Klasse für sich“ von der ARD-Filmreihe „Toni, männlich, Hebamme“ mitgespielt hat. Und sie ist eine tolle Schauspielerin wie Juliane Siebecke und Benjamin Raue. Sie spielt genauso gut wie ihre nichtbehinderten Kollegen. Davon kannst du dich in der ARD-Mediathek selber überzeugen, denn der Episodenfilm ist nämlich dort noch bis 17.03.2024 verfügbar. Die zwei Teile von „Herzstolpern“ sind übrigens in der ZDF-Mediathek auch noch bis 28.04.2024 verfügbar. Anschauen lohnt sich!

Wenige Filme mit echten Behinderten

Aber „Eine Klasse für sich“ und „Herzstolpern“ sind leider immer noch die wenigen Filme, in denen Schauspieler*innen mit einer echten Behinderung mitspielen. Diesem Umstand bemängelt der tolle Inklusionsaktivist Raul Krauthausen auch, den ich schon zweimal für meinen Blog interviewen durfte. Meistens werden Behinderte in Filmen bzw. Serien von Nichtbehinderten dargestellt. Zum Beispiel Blinde, Rollstuhlfahrer oder Gehörlose. Ich sage nur „Die Heiland – Wir sind Anwalt„. Da frage ich mich wirklich warum eigentlich. Achte bitte mal drauf.

Lorenzo

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8 Kommentare

  1. Danke für den guten TV-Tipp, Lorenzo!
    Ich finde auch, dass Menschen mit Behinderung von Menschen mit Behinderung gespielt werden sollten. Insgesamt gibt es in Richtung Inklusion noch viel zu tun …

    1. Sehr gerne, Marina 🙂

      Darüber wollte ich unbedingt wieder mal schreiben. Und du sagst es! Im Bereich Inklusion gibt es noch viel zu tun. Vielleicht kann dieser Blogbeitrag auch seinen Anteil daran beitragen. Das würde ich mir jedenfalls wünschen.

      Lorenzo

  2. Auch wenn ich das schön fände, teile ich diese Einschätzung und glaube, dass das Gründe sind, warum behinderte Menschen in Film & Fernsehen so unrepräsentiert sind:

    Für blinde Schauspieler ist die TV-Schauspielerei möglicherweise kein geeignetes Arbeitsfeld, da sie mit verschiedenen Herausforderungen wie der Arbeitsgeschwindigkeit bei Dreharbeiten, dem Blickkontakt und dem schnellen Lesen von Dialogen konfrontiert wären. Darüber hinaus wäre es für sie schwierig, Rollen zu spielen, die von sehenden Schauspielern gespielt werden. Das Angebot an geeigneten Rollen für Blinde ist begrenzt, was es schwierig macht, davon zu leben. Das Theater bietet mehr Möglichkeiten, jedoch sind auch hier angepasste Rollen erforderlich.

    1. Lieber Malte,

      danke für deinen Kommentar! Ich freue mich über ihn ganz doll. 🙂

      Ja, da hast du wahrscheinlich recht, aber ich glaube, dass die TV-Schauspielerei auch anpassbar wären wie im Theater. Aber das scheitert oft an den Willen und am Geld. Dass es geht, zeigen die Filmen ja, die ich hier erwähnt habe.

      Lorenzo

  3. Hi Lorenzo,

    hatte nach den ersten 10 Minuten den Film als Sozialkitsch abgetan und weggeschaltet. Nun habe ich von mehreren Menschen mitgeteilt bekommen, dass der Film super sei und unbedingt sehenswert, nun Deinen Kommentar hierzu gelesen… Ich werde mir den Film noch heute anschauen und eine neue Meinung bilden 😉

    Danke fürs Augen öffnen… Jörg

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