Triage in Tuttlingen?

In Tuttlingen (Baden-Württemberg) haben das Kreis-Klinikum und das Landratsamt ein Schreiben an Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe verschickt. In diesem Brief verlangen die Verfasser unmissverständlich von den Einrichtungen, dass ihre Mitarbeiter auf Bewohner*innen, Angehörige und gesetzliche Betreuer*innen mit dem Ziel einwirken, dass diese sich möglichst gegen eine intensivmedizinische Behandlung bei Corona entscheiden. Sie sollen nach „Lebensqualität“ entscheiden. Also, nach lebenswert und lebensunwert. Das ist eindeutig eine Triage. 😡

Ich bin darüber wirklich entsetzt und traurig wie der Behindertenverein „AbilityWatch„, der die Politik kritisch und fragend begleitet bzw. mit Aktionen auf die fehlende Gleichberechtigung und mangelnde Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention hinweist. In einem Blogbeitrag übt AbilityWatch scharf Kritik am Schreiben der Behörden an die Tuttlinger Einrichtungen. Und mit Recht!

Wir dachten, dass die Zeiten längst vorbei sind, wo man uns nach lebenswert einordnen will. Gerade hier in Deutschland. Jedoch wir wurden eines Besseren belehrt. 🙄 Wie legt der Landkreis Tuttlingen „Lebensqualität“ fest? Was ist eine gute „Lebensqualität“? Müssen wir uns in Deutschland nun sowas wirklich wieder fragen? Das erinnert mich an früher als die Nazis an der Macht waren. Ist eine Lebensverlängerung nur bei guter „Lebensqualität“ möglich? Die Verfasser reden sich jetzt mit den hohen Kosten heraus, aber so eine Triage geht gar nicht! Wenn die Kosten zu hoch sind, hätten sie sich ja schon früher um eine gute Lösung kümmern müssen. Das Outsourcing der Triage an nicht-medizinisches Personal ist ein Unding. Und für Mängel am Gesundheitssystem dürfen nicht Alte und Behinderte „geopfert“ werden!

Zynisch könnte man sagen: Ein paar Behinderte und alte Menschen weniger sind ja nicht so schlimm, Hauptsache wir haben noch genug Betten übrig für die Nichtbehinderten. Aber warum hat man Alte und Behinderte überhaupt erst isoliert und dann geimpft um sie zu schützen, sogar mit Vorrang? Daran haben die Briefschreiber wohl nicht mehr gedacht oder?

Was mich bei diesem Thema auch noch umtreibt, ist, ob ich später ebenfalls in so eine Situation komme, ob meine Krankenkasse mir später immer noch alle Behandlungen gibt, die ich für ein gutes Leben brauche oder ob die Krankenkasse dann auch so eine Triage macht. 🙁

Mein neuer Blogbeitrag hat ein schwieriges Thema, aber das war mir heute ein Bedürfnis, darüber zu schreiben.

Lorenzo

4 Kommentare

  1. Mit großem Entsetzen und mit dem Wissen das die Triage garantiert schon stattgefunden haben muss und immer noch stattfindet, finde ich es gut das dieses Thema aufgegriffen wird, endlich mal!! Ich weiß das viele Menschen wenn sie die Intensivstationen überleben diese in fürchterlichen Zuständen sind. Es fehlt schlicht das Personal sie zu versorgen das ist der Anfang der Triage, das verbleibende Personal kann sich nicht komplett kümmern, der Zustand der Patienten wird schlechter, Teil zwei der Triage, ggf gehen wichtige Medikamente aus, wen gibt man den Rest der Medikamente? Anne 44 Jahre fettleibig vorerkrankt geimpft oder Leo 24 Jahre ungeimpft gute Partys gefeiert vllt 8 andere angesteckt, Zack na klar der bekommt sie hat sein Leben ja noch vor sich!! Womit wir selbst wissen warum die Triage schon stattgefunden haben muss. Niemand würde das zugeben, denn dann gäbe es einen riesigen Aufschrei. Aber weiter im Text: Triage bedeutet aussortieren. Wer bekommt nun keine Behandlungen, welche Operationen werden ausgesetzt?? Na klar die von Krebs- und Tumorpatienten, von Copdlern, Herzkranken etc. Ein Aussetzen heißt keine Operationen: Zack wieder sterben Menschen, aber Gott bewahre: Nein, das ist nicht so. Wenn wir alle kritisch in unsere Reihen schauen, wissen wir, dass die Triage angewandt wird! Jeder Einzelne von uns der denken kann. Ihr Lieben ich danke euch fürs Lesen und das ihr mit auf diesen Exkurs gegangen seid.

    1. Anne, danke für deinen Kommentar und dein Kompliment zu meinem Blogbeitrag. Ja, das ist ein wichtiges Thema. Darüber muss man schreiben. Außerdem war es mir auch ein Bedürfnis.

      Lorenzo

      1. Lieber Lorenzo, dieses Thema lodert auch mit einer teilweise wütenden Flamme in mir. Es ist eine große und berechtigte Sorge,das man wissen möchte wie und ob es so krank überhaupt weitergeht nachdem man z.B. sich ins Krankenhaus begeben hat, erst minimal invasiv beatmet wird bis es vllt in wenigen Stunden heisst wir legen sie an die ECMO und müssen sie intubieren. Realistisch betrachtet wir sind 83,2 Millionen Menschen haben aber nur 874 ECMOs a)Zuwenig Personal b) Zuwenig ECMos c) Wahrscheinlichkeit zu sterben mindestens 50 wenn nicht 70%. Was mich daran stört ist,dass zwei Ärzte Gott spielen müssen und man dann nicht mehr selbst ein Mitspracherecht hat. Es ist mein Leben und ich bin mir im Klaren darüber das es nicht ewig währt. Trotzdem egal wie es mir geht ,ist es lebenswert. Ich werde gebraucht. Von meinen Freunden,meiner Familie,meinem Mann und meinen Katern und allen meinen Menschen auf meinem Lebensweg. Jedes Leben ist lebenswert. Jeder Mensch der die Entscheidung des Todes für andere fällen muss wird für mich zum vom System verurteilten „Mörder auf Verlangen“. Was mich aber noch mehr ärgert ist,dass ich nicht selbst mein Ende wählen darf . Das steht dann im Widerspruch!! Denn Herr Spahn hat sich ja gegen alle Anträge auf Eigentoetung mit Hilfe gestellt. Ich darf also schwerkrank nicht würdevoll mein eigenes Leben beenden,aber Ärzte mit einem geleisteten Eid das Leben zu schützen,dürfen mich „staatlich verordnet im Notfall umbringen“.Das ist eine perfide Ironie die Ihresgleichen sucht.

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